Die Bedürfnispyramide ist ein sozialpsychologisches Modell, das der amerikansiche Psychologe Abraham Maslow entwickelt hat. Bedürfnisse des Menschen werden darin anhand einer Abstufung in Pyramidenform kategorisiert. Auch die Wirtschaftswissenschaften greifen auf dieses Modell zurück. Aus den unbegrenzten Bedürfnissen des Menschen ergibt sich die Notwendigkeit zu wirtschaften.
Allgemein werden Bedürfnisse als Ergebnis eines subjektiven Mangelempfindens definiert. Nicht alle Bedürfnisse sind gleich bedeutend. Jeder Mensch muss entscheiden, welches Bedürfnis zuerst und welches später befriedigt werden soll. Hier setzt die Bedürfnispyramide von Maslow an.
Inhalt
Abraham Maslow
Abraham Maslow lebte von 1908 bis 1970. Er gilt als Begründer der humanistischen Psychologie, die im Unterschied zu anderen Strömungen innerhalb dieser Wissenschaft die subjektive Perspektive betont. Maslow ging davon aus, dass das Verhalten des Menschen vor allem durch seine Bedürfnisse bestimmt wird. Lesen Sie hier alles über Abraham Maslow.
Definition der Bedürfnispyramide
In der Form einer Pyramide beschrieb Abraham Maslow die Bedürfnisstruktur des Menschen und benannte Kategorien von Bedürfnissen. Grundlage für dieses Modell waren Beobachtungen und Analysen des menschlichen Handelns. Als Maslowsche Bedürfnispyramide wurde dieses Modell weltberühmt.
Logik des Modells
Die Form der Pyramide wählte Maslow, da er eine hierarchische Anordnung von Bedürfnissen erkannte. Demnach existieren Bedürfnisse, die vorrangig vor anderen Bedürfnissen befriedigt werden müssen. Je weiter unten die Bedürfnisse in der Pyramide stehen, umso wichtiger sind diese. Die Bedürfnispyramide ist kein Prozessmodell, sondern ein Inhaltsmodell innerhalb der Sozialpsychologie. Dies bedeutet, dass Inhalte, Kategorien, Motive und Wirkungen zu den Elementen zählen. Wie bei anderen Modellen auch ist das Gütekriterium vor allem die Zweckmäßigkeit, nicht die vollständige Übereinstimmung mit der Realität.
Ebenen der Bedürfnispyramide
Zunächst hat Maslow fünf Ebenen definiert.
1. Physiologische Bedürfnisse
Zur Kategorie der physiologischen Bedürfnisse gehören solche Bedürfnisse, die zum Überleben erforderlich sind. Diese gelten demzufolge bei jedem Menschen. Dazu zählen Essen, Trinken, die Atemluft sowie normale Temperatur und die Abwesenheit von Schmerzen.
2. Sicherheitsbedürfnisse
An diese Grund- und Existenzbedürfnisse schließen sich als zweite Stufe die Sicherheitsbedürfnisse an. Hierzu gehören ein sicheres Zuhause, ein einigermaßen sicherer Arbeitsplatz und finanzielle Rücklagen. Versicherungsleistungen zählen zu den Gütern, die diese Art von Bedürfnissen befriedigen.
3. Soziale Bedürfnisse
Auf der dritten Stufe stehen die sozialen Bedürfnisse. Dazu zählen Partnerschaft, Liebe, Familie und Freundschaft. Allgemeiner können soziale Beziehungen, Kommunikation, Zugehörigkeit und Anerkennung als Gegenstand dieser Ebene bezeichnet werden. Diese Bedürfnisse sind nicht für das Überleben notwendig, sind aber dennoch nahe an den Grundbedürfnissen.
4. Individualbedürfnisse
Es schließen sich auf der vierten Stufe die Individualbedürfnisse an. Hierzu zählen soziales Ansehen und Prestige, individuelle Interessen, beruflicher Erfolg, Wohlstand und Unabhängigkeit. Wie bei der dritten Stufe stehen diese Bedürfnisse in einem sozialen Kontext. Aber hier reiht sich das Individuum nicht primär in eine soziale Gruppe ein, sondern empfindet das Bedürfnis aus einer individuellen Perspektive.
5. Selbstverwirklichung
Auf der fünften Stufe der Bedürfnispyramide steht das Streben nach Selbstverwirklichung. Hierzu zählen das
Ausschöpfen der eigenen Potenziale, die Perfektionierung und maximale Erreichung persönlicher Ziele. Entsprechend der Logik des Modells wird die Selbstverwirklichung erst dann relevant, wenn die Bedürfnisse der darunter liegenden Ebenen bereits vollständig befriedigt sind. Maslow selbst schätzte im Jahr 1943, dass nur zwei Prozent der Weltbevölkerung auf dieser Stufe ankommen. Häufig werden einzelne Stufen aus der Bedürfnispyramide zusammengefasst. Dies erleichtert es, die Abgrenzung zwischen den Stufen nachzuvollziehen.
Biogene und soziogene Bedürfnisse
Die physiologischen Bedürfnisse und die Sicherheitsbedürfnisse werden zu den biogenen Bedürfnissen zusammengefasst. Die sozialen Bedürfnisse und die Individualbedürfnisse verbinden sich zu den soziogenen (oder: inter-individuellen) Bedürfnissen.
Defizitbedürfnisse und Wachstumsbedürfnisse
Üblich ist auch die Einteilung in Defizit- und Wachstumsbedürfnisse. Wird ein Defizitbedürfnis nicht befriedigt, kommt es zu Mangelerscheinungen. Dies sind bei den physiologischen Bedürfnissen beispielsweise physische Krankheiten oder bei den Sicherheitsbedürfnissen Angstzustände. Bleiben die sozialen Bedürfnisse unerfüllt, können psychische Störungen die Folge sein. Wenn ein Defizitbedürfnis nicht oder nicht vollständig befriedigt ist, dann wird sich das Individuum vorrangig darauf konzentrieren, anstatt sich der nächst höheren Stufe zuzuwenden. Sobald die Defizitbedürfnisse vollständig befriedigt sind, orientiert sich der Mensch an den Wachstumsbedürfnissen. Nun werden sämtliche Mangelerscheinungen vermieden. Die Wachstumsbedürfnisse zeichnen sich dadurch aus, dass die Entfaltung unbegrenzt ist. Daher orientiert sich der Mensch an diesen Bedürfnissen dauerhaft. Beispielsweise ist das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung zu keinem Zeitpunkt vollständig gestillt, wie dies beim Hunger oder beim Schlafbedürfnis der Fall ist.
Im Jahr 1970, kurz vor seinem Tod, hat Maslow die Bedürfnispyramide um drei Stufen erweitert.
Transzendenz
Die oberste Stufe der ergänzten Pyramide ist demnach die Transzendenz. Damit ist das Bedürfnis gemeint, Sinn zu finden und sich in eine Sphäre zu begeben, die über die reale Welt hinausreicht. Glaube, Religion und Philosophie sind Wege, dieses Bedürfnis zu befriedigen. Demzufolge könnte das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung doch irgendwann an Grenzen stoßen. Das Individuum fragt sich, ob der berufliche Erfolg wirklich alles ist.
Ästhetische und kognitive Bedürfnisse
Zwischen den Individualbedürfnissen und der Selbstverwirklichung fügte Maslow zwei neue Ebenen ein: Zu den ästhetischen Bedürfnissem gehören Struktur, Ordnung, Sauberkeit und Schönheit. Zu den kognitiven Bedürfnissen zählen das Wissen, das Verstehen, das Erforschen und der Fortschritt.
Möglichkeiten der Anwendung der Bedürfnispyramide
Anwendung findet die Maslowsche Bedürfnispyramide beispielsweise im Bildungssektor oder in der Karriereberatung. Lehrer und Berater können mit Hilfe dieses Modells nachvollziehen, inwieweit und wozu ihre Schüler bzw. Klienten motiviert sind. Auch bei der Therapierung psychischer Störungen kann die Bedürfnispyramide hilfreich sein.
Einwände und Kritik
Zahlreiche Einwände gegen die Bedürfnispyramide von Maslow wurden formuliert.
Logik des Modells zu vereinfachend
Vielfach wurde die Grundlogik des Modells als vereinfachend kritisiert. Es ist demzufolge durchaus möglich, dass ein Individuum bereits den beruflichen Erfolg oder die Selbstverwirklichung anstrebt, obwohl die Sicherheitsbedürfnisse noch nicht vollständig befriedigt sind. Diese Kritik kann auch auf die Erweiterung durch Maslow bezogen werden, da viele Menschen Transzendenz anstreben, lange bevor sie die Selbstverwirklichung erreicht haben.
Methodisch nicht ausreichend abgesichert
Da Maslow seine Bedürfnispyramide auf Beobachtungen und eigene Analysen gestützt hat, halten viele das Modell für nicht ausreichend abgesichert. Es ist kaum möglich, das Modell zu überprüfen. Die Objektivität und Zuverlässigkeit sind demzufolge nicht ausreichend gewährleistet.
Abhängigkeit von der Kultur
Ein weiterer Kritikpunkt ist die Abhängigkeit von der Kultur, die sich bereits in den Begrifflichkeiten (z. B. Selbstverwirklichung) widerspiegelt. Demzufolge ist die Bedürfnispyramide nicht universell, sondern beschränkt sich auf die Präferenzen von Menschen in Industrieländern.